Die Dialektik der liberal-kapitalistischen Demokratie und die Ideologien der Teilhabe
Gregor Berger
Zunehmend scheint die soziale Problemlösungsfähigkeit demokratisch-kapitalistischer Gesellschaften aufgrund immanenter Widersprüche und entsprechender Krisen blockiert. Diese krisenhaften Verhältnisse werden vermehrt durch postdemokratische oder autoritäre Formen der politischen Teilhabe kaschiert, was die Krisen wiederum intensiviert. Dagegen versuchen progressive Bewegungen die krisenhaften Verhältnisse aufzuheben – also einen gesellschaftlichen Fortschritt zu erwirken. Anhand einer Zusammenführung von Erkenntnissen aus Kritischer Theorie, amerikanischem Pragmatismus und Organisationstheorien geht die Promotion der Frage nach, wie Bewegungen diesen Fortschritt erfolgreich organisieren können. Dabei versucht sie ausgehend vom umstrittenen Maßstab von Erfolg/Erfolgslosigkeit progressiver Bewegungen zu klären, wie sich gesellschaftlicher Fortschritt konzeptualisieren lässt und wie Bewegungen diesen Fortschritt forcieren können. Die Arbeit versucht diesbezüglich die drei Thesen zu entfalten, dass progressive Bewegungen erstens einen politischen Vorgriff auf bessere Praxen darstellen; dass sie diesen zweitens anhand experimenteller Politik und entsprechenden Lernprozessen verwirklichen und dass für die entsprechende Experimentier- und Lernfähigkeit drittens politische Organisationen eine zentrale Rolle spielen.
Gefährliche Beziehungen? Eine Untersuchung der Links-Rechts-Konfliktlinien und -dynamiken in Deutschland
Silvia Del Canto
Das Projekt widmet sich einer umfassenden Exploration des Konfrontationsfeldes politisch linker und rechter Gruppierungen in Deutschland. Gefragt wird nach den verschiedenen gegenwärtigen Ebenen und Dimensionen dieses politischen Antagonismus sowie den damit verbundenen subjektiven Deutungsmustern. Das Hauptaugenmerk liegt auf den praktischen und diskursiven Aspekten des Konflikts, dessen Dynamiken und Rechtfertigungen, mittels eines interaktionistischen Ansatzes, sowohl aus der Perspektive linker als auch rechter Aktivist:innen untersucht werden sollen. Da die Links-Rechts-Konfiguration und ihre Entwicklung im Rahmen von Protest-Gegenprotest nicht ohne die Interaktion zwischen Demonstrant:innen und der Polizei verstanden werden kann, muss die Interaktionsstruktur um die Analyse der polizeilichen Aktivität erweitert werden. Anhand der auf der Mikro-Ebene gewonnenen Erkenntnisse wird zudem versucht, Rückschlüsse auf Gehalt und Funktion der Dialektik politischer Mobilisierung in der (deutschen) demokratisch-kapitalistischen Gesellschaft zu ziehen. Zur Untersuchung des Forschungsgegenstandes werden diverse qualitative Methoden wie teilnehmende Beobachtung, leitfadengestützte Interviews und Experteninterviews herangezogen.
Zwischen Teilhabe und Ausschluss – Zur intergenerationalen Tradierung von Arbeitserfahrungen unter Menschen mit einer türkeibezogenen Migrationsgeschichte
Gözde Çelik
Migrationsgeschichten haben Auswirkungen auf Lebensgeschichten. Und diese Auswirkungen zeigen sich nicht nur bei der ersten Generation, sondern auch bei Nachkommen der zweiten oder gar dritten Generation. Im Promotionsprojekt sollen die Erfahrungen von Personen in den Blick genommen werden, deren Vorfahren als sogenannte »Gastarbeiter:innen« aus der Türkei nach Deutschland migrierten und die selbst soziale Mobilität in Form eines Aufstiegs in Hinblick auf Bildung sowie Beruf erfahren haben. Der Fokus liegt auf den Narrationen, Erfahrungen und Motiven in Bezug auf das Thema »Arbeit« sowie deren intergenerationaler Tradierung.
In narrativ biografischen Interviews sollen hierfür die lebensgeschichtlichen Erzählungen sowohl der ersten Generation als auch ihrer Nachfahren näher beleuchtet werden. Erforscht werden die Ambivalenzen der Tradierung sozialer Ungleichheiten sowie die Exklusionsmechanismen, welche trotz parallel ablaufender Öffnungsprozesse bestehen. Es geht um eine Analyse des Fortbestehens struktureller Schließungstendenzen und der Begrenzung von Möglichkeitsräumen bei gleichzeitiger Steigerung von gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten und der Realisation eines Aufstiegs. Mit der Frage nach der Bedeutung von Arbeit wird hierbei ein Aspekt hervorgehoben, der eine zentrale Rolle in Vergesellschaftungsprozessen spielt und essentiell für soziale Mobilität, Aufstieg und Teilhabe ist. Theoretisch wird – unter Rückgriff auf Pierre Bourdieu – ein sozialräumlicher Fokus gewählt, der jedoch um postmigrantische und postkoloniale Perspektiven zu erweitern ist.
The Postcolonial Condition of Operation. Infrastructure, Violence and Capital
Timo Dorsch
Die globale kapitalistische Vergesellschaftung erfolgt in heterogener Weise. Dies lässt die Frage zu, welche ordnungs- und raumproduzierenden Logiken hierbei jeweils wirken und mittels welchen Mechanismen der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung diese zur Geltung kommen. Das Promotionsvorhaben interessiert sich für diese Logiken und Mechanismen unter einer postcolonial condition und fragt nach der produktiven Funktionsweise von souveräner Macht anhand der Implementierung von Infrastrukturprojekten in Mexiko und Sri Lanka.
Das Vorhaben unterteilt sich hierfür in drei Arbeitsschritte. Erstens wird der Frage nachgegangen, wie sich die in postkolonialen Räumen vorzufindende Gewalt der Nekropolitik auf ihre Logiken von Regierung und kapitalistischer Produktionsweise hin untersuchen lässt, sodass sie nicht als Ausnahme von, sondern als Fortführung der Logik des rechtsstaatlich geltenden kapitalistischen Raumes mit anderen Mitteln verstanden werden kann. Zweitens wird entlang der Untersuchung von Infrastrukturprojekten in Mexiko und Sri Lanka die Kontinuität von Ausbeutung und souveräner Gewalt in diesen Räumen nachgezeichnet. Drittens soll geklärt werden, welchen Stellenwert innerhalb des kapitalistischen Produktionsprozesses jenes Subjekt erfährt, welches der nekropolitischen Gewaltproduktion ausgesetzt ist. In ihrer Gesamtschau werden alle drei Arbeitsschritte Aufschluss über die gegenwärtige Verfasstheit bestimmter globaler Teillogiken der kapitalistischen Vergesellschaftung geben.
“it’s me, not them..!?” Exploring Issues of Identity related to the Impostor Phenomenon in Light of the Reconfiguration of Social Structures
Max Jansen
Das sogenannte »Impostor (Hochstapler) Phänomen« (IP) beschreibt, dass Menschen, die nach den gängigen Kriterien der Leistungsgesellschaft sehr gute Leistungen erbringen und soziale Aufstiege erleben, diese (objektiven) Erfolge nicht sich selbst zuschreiben, sondern dazu neigen können, deren (wahre) Gründe in externen Faktoren zu sehen. Sie führen Erfolg auf Glück, Zufall oder gutes Timing zurück und verbleiben in den Bereichen Bildung und Erwerbsarbeit oft unterhalb ihrer Leistungsniveaus. Dabei haben sie insbesondere in diesen sozialen Kontexten das Gefühl, nicht dazuzugehören, wodurch ihre Teilhabemöglichkeiten eingeschränkt werden. Angesichts der Tatsache, dass das IP insbesondere bei Menschen auftritt, die (vormals) marginalisierten sozialen Gruppen angehören, zeigt ein kritischer Blick auf die aktuelle Forschung, dass Kontextvariablen auf gesellschaftlicher, institutioneller und interpersoneller Ebene oft zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Vor dem Hintergrund, dass unter anderem die Bildungsexpansion, steigende Erwerbstätigkeiten von Frauen und zahlreiche Migrationsbewegungen in den letzten Jahrzehnten massive soziostrukturelle Veränderungen hervorgerufen haben, untersucht das Projekt, in welchem Maße derartige (äußere) Öffnungsmomente mit (inneren) Momenten der Schließung einhergehen: Inwiefern kann das IP als eine Art internalisierte Unterdrückung verstanden werden, in der soziale Gruppenzugehörigkeiten (insbesondere sozioökonomischer Status und Migration) zum Tragen kommen? Zur Untersuchung dieser Fragen greift das Projekt auf einen soziologischen Theorierahmen sowie qualitative und quantitative empirische Befunde zurück.
Auswirkungen von transformationsbedingten Teilhabe-Ausschluss-Dynamiken auf die politische Orientierung am Beispiel der Lausitz
Ann-Katrin Kastberg
Gegenwärtige politische Versuche, die Auswirkungen der Klimakrise einzudämmen, werden in konkreten lokalen Strukturen umgesetzt und stoßen dort auf unterschiedliche Resonanz. So finden sich neben Hoffnung auf und Engagement für eine nachhaltige Zukunft auch Sorgen und Ängste (z.B. um sichere Arbeitsplätze) bis hin zur Abwehr klimapolitischer Maßnahmen. In meinem Promotionsprojekt untersuche ich diese Dynamiken anhand des Beispiels der Lausitz: In der Region, die stark von der Kohleindustrie geprägt ist, soll bis 2038 der Kohleausstieg umgesetzt werden, was mit umfassenden Veränderungen einhergeht. In meiner Forschung interessiere ich mich dafür, wie Menschen aus der Lausitz den gegenwärtigen Strukturwandel wahrnehmen und welche Anknüpfungspunkte für politische Angebote sich in ihren Erzählungen ausmachen lassen. Auf Grundlage von Gruppendiskussionen sollen so die politischen Auswirkungen von Teilhabe- und Ausschlusserfahrungen im Zuge der sozial-ökologischen Transformation empirisch herausgearbeitet werden.
Wirken und Wahrnehmung politischer Teilhaberäume durch die transnational und zivilgesellschaftlich organisierte Seenotrettung
Sarah Kruck
Durch das Mehrebenensystem des Regierens in der Europäischen Union gehen immer neue Entscheidungs- und Handlungskompetenzen auf supranationale Akteur:innen über. Diese Machtverschiebung hat auch zu einer Vervielfältigung und Transnationalisierung von zivilgesellschaftlichen Protestformen in Europa geführt. Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit dem Wirken und der Wahrnehmung politischer Teilhaberäume auf und durch zivilgesellschaftliche Akteur:innen sowohl auf supranationaler EU-Ebene, als auch auf subnationaler Ebene der EU-Mitgliedstaaten. Aufbauend auf der Untersuchung Activists Beyond Borders: Advocacy Networks in International Politics von Margaret Keck und Kathryn Sikkink wird die zivile Seenotrettung und ihre humanitäre Arbeit im Mittelmeerraum sowie ihre politisch-aktivistische Arbeit in der EU analysiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen Aktivist:innen und dem jeweiligen politischen System, in dem sie agieren. Leitende Forschungsfragen sind: Wie verhandeln transnationale Netzwerke durch die Suche und Öffnung politischer Teilhaberäume demokratische Partizipationsansprüche im internationalen und lokalen Raum? Wie wird politische Repression gegenüber sozialen Bewegungen in Bezug auf Teilhaberäume wahrgenommen und welche Konsequenzen für Protest ergeben sich daraus?
Die Dekommodifizierung und Vergesellschaftung des Bodens. Kommunale und zivilgesellschaftliche Praktiken für eine gemeinwohlorientierte Flächenverteilung
Jan Lucas Geilen
Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit einer möglichen Dekommodifizierung und Vergesellschaftung des städtischen Bodens, mittels im Bundesgebiet existierender Praktiken von Kommunen, Städten und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Es zielt darauf ab, die Konzepte der Dekommodifizierung und Vergesellschaftung des Bodens theoretisch zu schärfen und den speziellen Doppelcharakter des Bodens in demokratisch-kapitalistischen Gesellschaften herauszustellen. Dabei geht es auch darum zu hinterfragen, inwiefern der Boden selbst ein Gegenstand von Konflikten um Teilhabe ist bzw. sein kann und gleichzeitig, wie durch den Boden Zugänge zu sozialen Teilhaberäumen strukturiert und Ausschlüsse verursacht werden.
(Über-)Leben in unsicheren Zeiten: Selbstversorgung und andere Formen der Krisenbearbeitung
Anna Rosa Ostern
Ausgehend von der Beschreibung eines „Polykrisengeschehens“ (Adam Tooze) untersuche ich in meiner Promotion die individuelle Verarbeitung von Klimakrise, Pandemieerfahrung und neuen Kriegen in Europa. Dabei interessiere ich mich insbesondere für das Verhältnis von subjektseitigen und gesellschaftlichen Faktoren.
Auf individueller Ebene zeigen sich kreative und innovative Umgangsweisen mit der Allgegenwärtigkeit und Vielgestaltigkeit der Krise. Insbesondere Strategien der Selbstversorgung, so zum Beispiel der Anbau von Obst und Gemüse auf dem Land und in der Stadt, stellen neue Formen der Krisenbearbeitung dar. Hierbei überraschen Formen, die auf kreative Weise mit geringen finanziellen Möglichkeiten unabhängige Versorgungssysteme entstehen lassen. Selbstversorgung, so eine weitere Beobachtung, umfasst nicht nur die Herstellung von Nahrungsmitteln und die Bereitstellung eigener Energiesystemen, sondern zeigt sich in verschiedensten Lebensbereichen.
Die qualitative Interviewstudie versucht die unterschiedlichen Formen der Selbstversorgung und individuellen Krisenbearbeitung zu beschreiben und ins Verhältnis mit ihren gesellschaftlichen Bedingungen zu setzen.
Being in labour. Gebären als relationale Praktik im gegenwärtigen Kapitalismus
Marie Reich
Geburten sind ein zentraler Moment der Reproduktion jeglicher Gesellschaft und stellen zugleich einen Übergang im Lebensverlauf der involvierten Individuen, allen voran der gebärenden Person, dar. Gebären ist ein zutiefst sozialer, sich historisch wandelnder und gegenwärtig umkämpfter Prozess, in dem Fragen nach der Verkörperung von Macht- und Herrschaftsstrukturen, Fragen der Hervorbringung von Geschlecht und vergeschlechtlichter Arbeitsteilung kulminieren mit Fragen nach der sozialen Reproduktion einer kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft. Das Promotionsprojekt zielt darauf gesellschaftstheoretische - insbesondere feministische - Erkenntnisse über gesamtgesellschaftliche Bedingungen, wie eine dem Kapitalismus inhärente Abwertung von Reproduktion oder vergeschlechtlichte Machtverhältnisse mit einer tiefen Analyse der gegenwärtigen Praktiken des Gebärens und des tatsächlichen Umgangs mit Geburten zusammenzubringen. Dabei liegt der Fokus auf den Auswirkungen der Ökonomisierung des Gesundheitssystems auf Geburten, verstanden als beziehungsförmiger Prozess zwischen Gebärender, Kind/Fötus, Hebamme, Ärzt:innen und weiteren in die Geburt involvierten Personen.
Das Projekt widmet sich zudem der voranschreitenden Kommodifizierung von Schwangerschaftsentstehung und Geburt z.B. in Form von Leihmutterschaft, Eizellverkauf, aber auch anderen Methoden der assistierten Reproduktion.
Zwischen Bewährung und Ohnmacht – Ein neuer Blick auf die (Lohn-)Arbeit und ihre Vergesellschaftung des Individuums
Jonas Schmeinck
Egal, ob es die aktuelle Diskussion um das sogenannte Quite Quitting, die politisch scharf geführte Auseinandersetzung um das Bürgergeld oder die vom Wirtschaftsrat der CDU vorgeschlagene Arbeitspflicht für Migrant:innen ist: der Diskurs um Arbeit als Zukunftsfrage der Gesellschaft spitzt sich vehement zu. Arbeit gilt dabei nicht nur als notwendiges Mittel individueller Existenzsicherung, sondern als Garant gesellschaftlichen Zusammenhalts und Wohlstands. Gerade in der zurückliegenden Reform der Existenzsicherung in der Agenda 2010 – und aktuell auch wieder im Bürgergeld – wird die Eingliederung des Individuums in die Lohnarbeit als die Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft entworfen. Wie aber fördert eine solche Erwartungshaltung die Fähigkeit zur Gestaltung des eigenen Lebens und der gesellschaftlichen Umstände?
Das Promotionsvorhaben möchte ausgehend von den gesellschaftlichen Diskussionen um die Agenda 2010 und die Einführung eines Bürgergelds einen neuen Blick auf die ausdifferenzierten Vergesellschaftungsdynamiken im Spätkapitalismus werfen. Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage, inwiefern die Arbeit als individuelle Existenzsicherung und Grundpfeiler gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse eine sowohl individuelle als auch kollektive Ohnmacht hervorruft. Mit Hilfe von Gruppendiskussionen soll die Bedeutung der Lohnarbeit für die eigene Handlungs(un-)fähigkeit empirisch herausgearbeitet werden. Die Untersuchung der Lohnarbeit als bedeutende Kategorie der modernen Gesellschaft nimmt ebenso ihren Einfluss auf die kollektiven Vorstellungen vom gesellschaftlichen Zusammenleben in den Blick.
Jagd auf das Gespenst - Kontinuitäten des Antikommunismus in Deutschland
Anton Schmidt
Nachdem sich 1990 der Kommunismus als politische und kulturelle Kraft aus der europäischen Politik verabschiedet hatte, blieb der Antikommunismus hingegen fester Bestandteil des politischen und kulturellen Geschehens. Bis heute fungiert der Vorwurf, sozialistische oder kommunistische Ziele zu verfolgen, als wirksames Mittel der sozialen Disziplinierung. Die Furcht vor der »roten Gefahr« ist dabei so tief im Bewusstsein bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften verankert, dass auch in Zeiten, in denen von einer relevanten kommunistischen Bewegung keine Rede sein kann, der Kommunismus als politisches Feindbild erfolgreich in Stellung gebracht werden kann.
In diesem Promotionsvorhaben wird die These verfolgt, dass der Antikommunismus in Deutschland als Ideologie und symbolische Ordnung ein wesentliches Moment in der Entwicklung der bundesrepublikanischen Gesellschaft war und auch gegenwärtig noch sowohl in deren Herrschaftsarchitektur als auch in den Subjekten eine prägende Kraft darstellt. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie und weshalb der Antikommunismus den Kommunismus als politische und kulturelle Macht überleben kann, woraus er unter gegenwärtigen Bedingungen seine Triebkraft schöpft und was dies für die Zukunft demokratischer Vergesellschaftung bedeutet.
Die Töchter der realexistierenden Emanzipation. Geschlecht(-erkonstruktionen) in den biographischen Erzählungen der Nachwendegeneration zwischen Reproduktion, Transformation und Emanzipation
Constanze Stutz
Das Promotionsprojekt »Die Töchter der realexistierenden Emanzipation« untersucht lebensgeschichtliche Emanzipationserzählungen von Frauen aus der ost- und westdeutschen Nachwendegeneration. Gefragt wird, ob und wie sich die ehemaligen sozialistischen und kapitalistischen Geschlechterarrangements der DDR und BDR sowie deren Politisierung durch die jeweiligen Frauenbewegungen mitsamt ihrer Emanzipationsvorstellungen in den widersprüchlichen Lebenszusammenhängen der Nachwendegeneration vermitteln. Wie setzen Frauen der ost- und westdeutschen Nachwendegeneration ihr Selbstbild, ihr geschlechtliches Gewordensein und ihre Lebenssituation zu den getrennten Erfahrungen ihrer Elterngeneration und den Transformationen der Nachwendezeit im vereinigten Deutschland in Beziehung und welche Rolle spielen Narrationen von Emanzipation in diesen biographischen Auseinandersetzungen? Entlang dieser Fragestellung wird untersucht, inwieweit unterschiedliche Entwürfe weiblicher Emanzipation in Deutungen widersprüchlicher und krisenhafter Lebenszusammenhänge der Gegenwart zwischen Reproduktion des bestehenden Geschlechterverhältnisses und dessen Transformation aufgerufen werden und ein emanzipatorischer Überschuss in den lebensgeschichtlichen Erzählungen der Nachwendegeneration zu finden ist.
Transnationale antirassistische Mobilisierungen im Vergleich – Minneapolis und Hanau
Mahir Türkmen
Die transnationale Entstehung antirassistischer Bewegungen wie zum Beispiel Black Lives Matter (BLM) im Globalen Norden weisen auf eine neue Qualität politischer Forderungen hin. Vor dem Hintergrund der rassistischen Gewalt in Minneapolis und Hanau geht das Forschungsprojekt der Frage nach, wie antirassistische Bewegungen die Städte verändert haben.
Trotz ihrer geografischen, politischen und demografischen Unterschiede waren Hanau und Minneapolis als Austragungsorte rassistischer Gewalt im Wesentlichen bestimmend für die antirassistische Mobilisierung. An beiden Orten erstarkten politische Bewegungen, die einen gesellschaftlichen Wandel über ihre lokalen Grenzen hinweg einleiteten, indem sie zu Zentren des Gedenkens und der antirassistischen Organisation wurden. Symbolische und materielle Raumkämpfe bestehen in beiden Städten nach wie vor fort und kulminieren unter anderem in abolitionistischen Forderung nach Auflösung von staatlichen Sicherheitsstrukturen wie der Polizei. Dabei werfen die konfligierenden Dynamiken der lokalen Aushandlung und Artikulation antirassistischer Politiken Fragen nach sozialräumlicher Teilhabe auf.
Das Forschungsvorhaben besteht aus einer vergleichenden qualitativen Fallstudie der Städte Hanau und Minneapolis, die mit Hilfe ethnographischer Methoden analysiert werden. Der Vergleich der Städte Hanau und Minneapolis dient der Herausarbeitung einer (stadt-)soziologischen Theorie (transnationaler) antirassistischer Macht. Methodisch verknüpft die interdisziplinäre Arbeit raumtheoretische Konzepte mit Ergebnissen aus der sozialen Bewegungsforschung und den kritischen Rassismustheorien.
Die Plattformarbeiter:innen – eine situationsanalytische Betrachtung reproduktiver Dienstleistungsarbeiten auf digitalen Plattformen
Rahel Zelenkowits
Das alltägliche Caring, Cooking und Cleaning kann simpel, flexibel und in kürzester Zeit mittels digitaler Plattformen wie betreut.de ausgelagert werden. Die Plattformökonomie reagiert dabei auf die Krise der sozialen Reproduktion und erzeugt eine neue Arbeiter:innenschaft im reproduktiven Dienstleistungssektor – die Plattformarbeiter:innen. Wissenschaftliche und interessenpolitische Diskurse konzentrieren sich besonders auf die öffentlichen (zumeist männlich konnotierten) Ausliefer- und Transporttätigkeiten, während weiblich codierte ‚Gig-Arbeiten‘ wie putzen oder betreuen in privaten Wohnräumen oft unsichtbar bleiben. Mit der Plattformisierung des sozial-reproduktiven Niedriglohnsektors wird – so die Annahme – die feminisierte, zunehmend ethnisierte und deklassierte Zuordnung von Ver- und Fürsorgearbeit in Privathaushalten fortgesetzt und zugleich im sozialen Raum der Produktions- und Reproduktionsverhältnisse neu verteilt. Die Verortung, wer wie und wo die soziale Reproduktion aufrechterhält, ist verknüpft mit der Frage nach gesellschaftlicher Teilhabe entlang der Kategorien von bezahlten oder unbezahlten, privaten oder öffentlichen, anerkannten oder abgewerteten Formen von (ver-)sorgender Arbeit. Der Frage, wo und wie Menschen im Rahmen plattformförmiger Reproduktionsarbeit für soziale Aufstiege und gegen soziale Abstiege kämpfen, nähert sich das Promotionsprojekt qualitativ-empirisch mittels des Forschungsstils der Grounded Theory Methodology sowie deren situationsanalytischen Erweiterung.