Gegen/Moderne. Kulturkämpfe um die Gegenwart
Vom 8. bis zum 10. Oktober findet die Konferenz »Gegen/Moderne. Kulturkämpfe um die Gegenwart« an der Universität Basel statt. Die Universität Basel richtet die Konferenz in Kooperation mit dem Institut für Sozialforschung und der Goethe-Universität Frankfurt aus. Die interdisziplinäre Konferenz möchte verschiedene Wissenschafler:innen zusammenbringen, um die ubiquitär angefochtenen Gesellschaften der Gegenwart besser zu verstehen. In fünf Panels und sieben Workshops sollen die Phänomene, Fragen und Herausforderungen der »Gegen/Moderne« gemeinsam bearbeitet werden. Alle weiteren Informationen rund um die Konferenz sowie die Anmeldung finden Sie auf der Veranstaltungswebsite.
Panels
Auftaktpanel: Welche Moderne?
Mittwoch 08.10.25, 17:00-18:30Uhr
Raum: TBA
Im Auftaktpanel thematisieren Rahel Jaeggi (Humboldt Universität zu Berlin) und Peter Wagner (Universitat de Barcelona) die brennende Frage der Gegenwart: Fortschritt und Regression. In einem sowohl historischen als auch zeitdiagnostischen Zugriff wird danach gefragt, wie es um die Moderne der Gegenwart steht. Das Versprechen der Moderne von Freiheit und Vernunft sollte sich in der Wahlverwandtschaft von Kapitalismus und Demokratie realisieren. Wie steht es aber um deren Realisation? In diesem Panel wird diskutiert, wie Freiheit und Autonomie organisiert sind und in welchem Verhältnis Fortschritt und Regression stehen. Insbesondere zwei Fragen werden adressiert: Sollten wir an der notwendigen Utopie der Moderne festhalten oder hat sie sich überlebt? Welche Zukunft verspricht sie oder droht sie, durch eine Gegenmoderne abgelöst zu werden?
Moderation: Oliver Nachtwey (Universität Basel)
Panel II: Raum
Donnerstag 09.10.25, 09:00-10:30
Raum: TBA
Im zweiten Panel analysieren Fiona Kalkstein (Universität Leipzig) und Daniel Mullis (Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung Frankfurt) den sozialen Raum der Gegenmoderne. Aushandlungen um Vorstellungen des «guten Lebens» und Fragen der politischen Gestaltung der Gesellschaft sind häufig an konkrete Orte oder an Imaginationen bestimmter Räume gekoppelt. Räume sind dabei nicht lediglich Schauplätze dieser Auseinandersetzungen, sondern strukturieren diese auch mit: So wird der vermeintlichen Unmittelbarkeit und Normalität des Landlebens die Vorstellung einer kosmopolitischen und elitären Großstadt entgegengesetzt. Während es sich hierbei oft um normativ aufgeladene und polarisierte Konstruktionen handelt, wäre die Frage zu diskutieren, inwiefern sich die Modernisierungsprozesse in unterschiedlichen Räumen, etwa in ländlichen und in urbanen, niederschlagen und wie die sozialräumliche Dimension antimoderne Widerstände beeinflusst.
Moderation: Bernd Belina (Goethe-Universität Frankfurt)
Panel III: Ästhetik
Donnerstag 09.10.25, 14:00-15:30
Raum: TBA
Das dritte Panel mit Jule Govrin (Universität Hildesheim) und Wolfgang Ullrich (Autor) beschäftigt sich mit Politiken des Ästhetischen, die eine ästhetisch Weltwahrnehmung als Quelle der Sinngebung und Transzendenz gegen die zerstückelte, verweltlichte Moderne aufwerten. Ästhetisches Erleben gilt nicht nur als Fluchtpunkt im kalten Prozess ökonomischer Liberalisierung, antimoderne Bewegungen sind im Kern ästhetische Bewegungen, die Verlusterfahrungen der Moderne ästhetisch bearbeiten. Dies äußert sich etwa in einer Sehnsucht nach «großer Politik», in der das Wesentliche, das Standhafte gegen eine pluralistische Beliebigkeit in Stellung gebracht wird. Es äußert sich ebenfalls in einer Politisierung der Kunstautonomie, die Kunst als einen Raum der Unverfügbarkeit instrumentalisiert, in dem moralische Standards ausgesetzt sind. Kunst wird in der Gegenmoderne zu einem entrückten Ort jenseits der profanen modernen Welt, sie markiert Distanz zur Gegenwart. Dadurch lassen sich ästhetische Verfahren leicht nutzen, um das Leiden am Zerfall verbindlicher Fundamente zu politisieren. Der Widerstand gegen die Moderne erschafft nicht nur neue politische Ordnungsgefüge, sondern ebenso symbolische Ordnungen.
Moderation: Carolin Amlinger (Universität Basel)
Panel IV: Transzendenz
Donnerstag 09.10.25, 16:00-17:30
Raum: TBA
Im vierten Panel thematisieren Sylvia Sasse (Universität Zürich) und Alexander Bogner (Österreichische Akademie der Wissenschaften) epistemische Praktiken der Gegenmoderne. Wahrheit und Wissen wurden bislang vor allem im Sinne der Aufklärung als kumulativ, normativ gewünscht und als Teil des allgemeinen Fortschritts gedeutet. Die Projekte der Gegenmoderne basieren auf der fluiden Produktion von Gegenwissen, von alternativen Fakten und subversiven Erzählungen, die sich gegen die Rationalität und die epistemischen Grundlagen der Aufklärung wenden. Dabei können sie auf das Unterlaufen der eigenen Geltungsansprüche und den Paternalismus der liberalen Interpretation von Aufklärung subversiv aufmerksam machen. Die Gegenmoderne strebt darüber hinaus ebenso Erfahrungen der Transzendenz an, die die Welt wiederverzaubern und mit mythischen Wirklichkeits-ansprüchen bedeutsam machen.
Moderation: Oliver Nachtwey (Universität Basel)
Forum: Faschistische Fantasien
Donnerstag 09.10.25, 18:15-19:15
Raum: TBA
Zum Schluss des zweiten Konferenztages spricht Klaus Theweleit zusammen mit Carolin Amlinger (Universität Basel) und Oliver Nachtwey (Universität Basel) über faschistische Fantasien.
Abschlusspanel: Zeit und Zukunft
Freitag 10.10.25, 13:30-15:00
Raum: TBA
Kämpfe um die Moderne sind auch mit Fragen um die Vision der Zukunft und die Deutung der Vergangenheit verbunden. Ein fünftes Panel mit Natascha Strobl (Autorin) und Fernando Esposito (Universität Münster) geht aus diesem Grund den Zukunftsvorstellungen der Gegen/Moderne nach, die als Antizipation des gesellschaftlich Möglichen den Raum strukturieren, in dem gegenwärtige Konflikte ausgetragen werden. Apokalyptische Zukunftsvorstellungen waren als Gegengewicht zum modernen Fortschrittsoptimismus seit jeher besonders in Krisenzeiten mobilisierbar. Für die Gegenwart ist jedoch von einem verallgemeinerten Katastrophenbewusstsein auszugehen. Wenngleich diesem angesichts von Klimakrise, ökonomischer Spannungen und autoritär-faschistischen Regierungen reale Herausforderungen entsprechen, ist zu fragen, warum Konflikte um die Zukunft immer häufiger auf dem Terrain einer imaginierten Vergangenheit ausgetragen werden. Möglicherweise deutet der Bedeutungsgewinn rückwärtsgewandter Sehnsüchte auf eine fundamentale Krise politischer Gestaltungs-vorstellungen hin.
Moderation: Carolin Amlinger (Universität Basel)
Workshops
Workshop 1: Lokale Verarbeitungsformen gegenwärtiger Kulturkämpfe und die Eigenlogik periphersierter Räume
Donnerstag 09.10.25, 11:00-12:30
Raum: TBA
Der Workshop widmet sich konkreten lokalen Verarbeitungsformen von Kulturkämpfen der Gegenwart. Dominik Intelmann (Goethe-Universität Frankfurt), Ann-Katrin Kastberg (Goethe-Universität Frankfurt) und Johannes Truffer (Universität Basel) berichten aus ihren laufenden Forschungen zur lokalen Debatte um den neuen NSU-Gedenkort in Chemnitz, zur Wahrnehmung der sozial-ökologischen Transformation in der Lausitz sowie zur politischen Soziologie des vorpolitischen Raum der Bewegungsbildung gegen Corona-Maßnahmen in der Schweizer Dörfern, um die Eigenlogik peripherisierter Räume zu rekonstruieren.
Workshop 2: Zur Politisierung der Kunst und Ästhetisierung der Politik in der Gegenmoderne
Donnerstag 09.10.25, 11:00-12:30
Raum: TBA
Im Rahmen dieses Workshops betrachten Harry Lehmann (Universität Luxemburg) und Veith Selk (Wirtschaftsuniversität Wien) aus zwei Richtungen aktuelle Protzesse im Zusammenhang von Politik und Kunst. Einerseits wird Kunst in Inhalt und Form immer politischer, was als potentieller Autonomieverlust und Ausdruck einer Gegenmoderne interpretiert wird. Andererseits bemüht sich die radikale Rechte zunehmend um eine Ästhetisierung ihrer Positionen, deren Strategien vorgestellt und als Ausdruck einer digitalen Gegenmoderne diskutiert werden.
Workshop 3: Kämpfe um die Geschlechterordnung
Donnerstag 09.10.25, 11:00-12:30
Raum: TBA
Dieser Workshop fokussiert ein zentrales Feld aktueller Kulturkämpfe. Dorit Geva (Universität Wien), Mike Laufenberg (Hochschule Fulda) und Sarah Speck (Europa Universität Viadrina Frankfurt/Oder) geben Inputs zur Bedeutung von Geschlechter- und Sexualitätspolitiken für die neuen autoritären Formationen. Der Workshop wird sich mit der Frage einer Restauration der Geschlechterordnung befassen, den Affektpolitiken in Kulturkämpfen der Gegenwart nachgehen, aber auch der Bedeutung der (queer)feministischen Kämpfe der letzten Dekaden. Es soll ausreichend Zeit zur Diskussion geben.
Workshop 4: Zuspätmoderne
Freitag 10.10.25, 09:00-10:30
Raum: TBA
In diesem Workshop diskutiert Ulrich Bröckling (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) zusammen mit Alexandra Schauer (institut für Sozialforschung Frankfurt) und Philipp Staab (Humboldt Universität zu Berlin), wird unter dem titelgebenden Begriff diskutiert, wie eine Gesellschaftstheorie aussähe, die sich auf die Aporien ihres Gegenstands beruft und folglich weniger Antworten erwarten darf, als eine Schärfung der Fragen. Denn im Topos der Zuspätmoderne verdichten sich die Aporien gegenwärtiger Affektlagen, Subjektanrufungen und Politiken. Aporien stellen uns kognitiv, emotional, normativ und praktisch vor das Dilemma, ihnen weder ausweichen, noch sie auflösen zu können. Deshalb prozessieren sie als Probleme.
Workshop 5: Die Moderne als Gretchenfrage des ökologischen Diskurses
Freitag 10.10.25, 09:00-10:30
Raum: TBA
Unser fünfter Workshop setzt sich schließlich mit den beiden sich widerstreitenden Lagern auseinander, die den ökologischen Diskurs bestimmen, dabei allerdings quer zur Frontstellung von links und rechts verlaufen. Während ein ökomodernistischer Diskurs auf ein «gutes Anthropozän» setzt, das die technologischen Eingriffe in die natürliche Umwelt unter Vorzeichen der Nachhaltigkeit intensivieren möchte, macht ein antimoderner Diskurs in der technischen Entwicklung und dem Wirtschaftswachstum die Quelle der ökologischen Verwüstung aus und neigt zu einer «Rückkehr» zu vormodernen Formen des Wirtschaftens und der Vergesellschaftung. Inputs liefern Daniela Russ (Universität Leipzig), Andreas Folkers (Columbia University & Institut für Sozialforschung Frankfurt) und Simon Schaupp (Technische Universität Berlin).
Workshop 6: Endzeitkern: Apokalypsen zwischen Raktion und Fortschritt
Freitag 10.10.25, 11:00-12:30
Raum: TBA
In diesem Workshop richten Jennifer Stevens (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Anna Rosa Ostern (Institut für Sozialforschung Frankfurt) und Felix Schilk (Eberhard Karls Universität Tübingen) den Blick auf die Bedeutung von Zeitlichkeit in der Gegenwart. Während Zukunft als Problem, nämlich als Gestaltungs- und Vorstellungsproblem begriffen wird, zeigen sich Vergangenheitsorientierungen und Apokalyptik als zentrale Verarbeitungsmodi. Diese «Rückwärtsgewandtheit» als zentrale Kategorie wird in diesem Workshop auf ihre theoretische und empirische Passung hin befragt. Beitragsübergreifend wird über die Verknüpfung von apokalyptischer/vergangenheitsbezogener Gegenwartsgesellschaft, ihren Verarbeitungsformen und Agitationsmöglichkeiten diskutiert.
Workshop 7: Make Social Media Great Again. Die autoritäre Wende im digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit
Freitag 10.10.25, 11:00-12:30
Raum: TBA
Einem zentralen Mittel und Terrain der Gegenmoderne widmet sich schliesslich der letzte Workshop mit Adrian Daub (Stanford University), Anna-Verena Nosthoff (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) und Felix Maschewski (Humboldt Universität zu Berlin). Er geht aktuellen tech-autoritären Entwicklungen nach, fokussiert neben medientechnischen Bedingungen vor allem die ideologischen Herkünfte und Verstrickungen (vom Dark Enlightenment bis zu TESCREAL) der sog. «Broligarchie» und fragt: Ist die Tech-Elite nie liberal gewesen? Diskutiert wird in diesem Konnex nicht nur, wie die utopischen Versprechen einstmals als progressiv bzw. emanzipativ gefeierter Technologien in einem (neo-)reaktionären Playbook aufgehen und das soziotechnische Imaginäre prägen, sondern auch, wie eine finanzielle und infrastrukturelle in eine politische (Diskurs-)Macht überführt, die Öffentlichkeit refeudalisiert wird.
Gegen/Moderne. Kulturkämpfe um die Gegenwart
Ort: Universität Basel